Plötzlich geht es ganz schnell. Der als Krimineller verurteilte, aber straffrei davongekommene Donald Trump ist noch nicht einmal vereidigt, da haben sich der kommenden (mit Elon Musks Beteiligung nur als faschistisch-oligarchisches Regime zu beschreibender) US-Regierung bereits große Technologiekonzerne wie Apple, Google und Meta angedient - durch große Geldspenden und vorauseilenden Gehorsam, was die Unterdrückung missliebiger Menschen angeht.
Meta-Chef Mark Zuckerberg hat bekanntlich angekündigt, zahlreiche Regeln zur Eindämmung von Hass-Kommunikation, v.a. zu Migration und Geschlecht, fallenzulassen. Eine Abteilung für das Prüfen von Fakten (fact checking) wurde für die USA aufgelöst. Und damit die für "Vertrauen und Sicherheit" zuständigen Mitarbeiter*innen nicht vom offenbar zu liberalen kalifornischen Klima beeinflusst werden, wurde die Abteilung ins erzkonservative Texas verlegt.
Denn, so Zuckerberg in seinem Statement, Einschränkungen zu Themen wie Migration und Gender entsprächen nicht dem Mainstream. Statt um Inklusion ginge es laut dem Meta-Chef zunehmend um die Unterdrückung gegenteiliger Ansichten, und das, so Zuckerberg, sei weit genug gegangen.
Es reicht ihnen jetzt
In anderen Worten: Den US-Tech-Oligarchen reicht es jetzt. Sie haben die Nase voll. Sie wollen sich nicht länger verstellen, nicht länger so tun, als wären sie an einer fairen, alle Menschen gleichermaßen inkludierenden Welt interessiert. Sie haben es nicht mehr nötig, denn Trump und Musk stehen jetzt an der Spitze.
Das erste Ziel der neuen Regeln sind trans Personen, nicht-binäre Menschen und Homosexuelle. Im Namen eines radikalen Verständnisses von Redefreiheit ist es auf Metas Plattformen jetzt erlaubt, diese Menschen als psychisch krank zu bezeichnen und zu beleidigen. Das Online-Magazin Platformer hat Beispiele für die Moderation von Beiträgen nach den neuen Regeln veröffentlicht.1
Ich will diese Beispiele hier nicht alle reproduzieren, aber Platformer bezeichnet sie zurecht als entmenschlichend. Die neuen Regeln definieren, was 'normal' ist und was nicht. Menschen, die nicht unter dieses 'Normale' fallen, dürfen nach den Regeln u.a. als "es" ("it") bezeichnet werden. Auch ihre Existenz darf ihnen abgesprochen werden ("not real").
Die Moderationsregeln zeigen, dass Zuckerberg denkt, es sei eine unangemessene Einschränkung, eine Person nicht entmenschlichen zu dürfen (sie etwa nicht als "es" bezeichnen zu können) oder auf andere Weise herabwürdigen zu dürfen. Der Meta-Chef behauptet, Regeln gegen solche Hasskommunikation wären "out of touch with mainstream discourse". Das heißt letztlich, dass Zuckerberg hate speech gegen das für ihn 'Unnormale' als normal ansieht.
Nicht länger willkommen
Nur konsequent ist es, dass frühere Aktivitäten des Konzerns, scheinbar einen inklusiven Raum für queere Personen zu bieten, beendet werden und frühere Unternehmenskommunikation dazu gelöscht wird. Erst 2021 erhielt die Messenger-App von Meta ein optionales Farb- und Designschema in den Farben der transgender-Flagge; 2022 folgte eines für Nonbinarität.
Wie das Online-Magazine 404 nun berichtet, wurden beide Designs jetzt aus dem Messenger entfernt und können nicht mehr ausgewählt werden. Auch Blogbeiträge des Unternehmens zu entsprechenden Themen wurden gelöscht und sind nur noch über das Internet-Archiv zu finden.2
Meta demonstriert hier auf erschreckend konsequente Weise, wie entschlossen, wie schnell und mit welchem Selbstbewusstsein ganze Menschengruppen (1) aus einem kommunikativen Raum ausgeschlossen werden (das Entfernen der Designs sagt ja: 'Ihr seid hier nicht willkommen') und (2) wie schnell sie zum Freiwild für Angriffe erklärt werden, wenn eine mächtige Person oder eine privilegierte Gruppe das nur wirklich will.
Meta als Warnung
Man darf die Bedrohung, die in diesen Vorgängen liegt, nicht unterschätzen und nicht kleinreden. Nicht nur, weil auf Hate Speech im Netz oft auch physische Gewalt folgt. Und nicht nur, weil sich frühere inkludierende Aktivitäten Metas als bloß ökonomisch getriebenes Rainbow Washing herausstellen. Sondern auch, weil die Vorgänge im negativen Sinne beispielhaft vorführen, was auch in der 'echten' Welt droht.
Um es mit einem Vergleich zu sagen: Wäre Meta kein Internetkonzern, sondern eine Supermarktkette, dann wäre jetzt nicht nur die Pride-Flagge vom Eingang entfernt, sondern es wäre auch eine neue Hausordnung aufgehängt, mit der vom Konzern als 'normal' bewertete Supermarktkunden ermutigt werden, unerwünschte Besucher*innen zu beschimpfen und zu vertreiben. Der Konzern würde das unter dem Label der freien Meinungsäußerung achselzuckend geschehen lassen, und von der Polizei dürfte man keine Hilfe erwarten.
Das ist, was gerade auf den Plattformen von Meta passiert.
Nicht nur im Internet
Und es ist zu befürchten, dass der Supermarkt-Vergleich bald nicht mehr nur ein Vergleich ist. Rechte Parteien mit erzkonservativen bis menschenfeindlichen Ansichten werden durch viel zu viele Medien als relevant dargestellt und von erschreckend vielen Menschen an die Macht gewählt. Das wird die Atmosphäre in der Gesellschaft stark ins Negative - Bedrückung, Angst - verändern. Es war ja ohnehin nie sicher in Deutschland für Menschen, die nicht der Vorstellung des sogenannten 'Normalen' entsprechen. Es wird nicht besser werden, eher noch schlechter.
Die große Frage der nächsten Jahre bis Jahrzehnte wird daher sein, wie wir uns verhalten. Ein zerstörtes Social Network wie X oder Facebook zu verlassen ist leicht. Ein Land zu verlassen, nicht. Falls nach der Bundestagswahl im Februar 2025 Parteien wie die CDU/CSU oder gar die AfD die nächsten Jahre prägen, werden die meisten von uns hier vor Ort mit einer zunehmenden Bedrohung umgehen müssen. Wer noch nicht selbst direkt bedroht wird, wird Menschen kennen, die es betrifft. Oder wird sie im Alltag sehen: auf dem Bahnsteig, in der Straßenbahn, auf dem Supermarkt-Parkplatz.
Gerade als privilegierte Person (so wie der Autor dieses Artikels: weiß, cis, männlich, hetero) wird es Zeit, sich langsam mal damit zu beschäftigen, was das praktisch heißen kann. Was man individuell tun kann, um bedrohten Personen zu helfen oder sie zu unterstützen. Je nach ökonomischen, körperlichen, psychischen und sozialen Bedingungen und Möglichkeiten wird da jede*r eigene mögliche Wege finden.
Aber abwarten, nichts tun, froh sein, dass "es mich nicht trifft", das kann nicht mehr gelten.
Externe Links
1 https://www.platformer.news/meta-new-trans-guidelines-hate-speech Hinweis: Beim Anklicken externer Links kann es sein, dass Ihre IP-Adresse in Drittstaaten außerhalb der EU übertragen wird. Klicken Sie die Links nur an, wenn Sie mit so einer Übertragung einverstanden sind. / Zurück zum Artikel
2 https://www.404media.co/meta-deletes-trans-and-nonbinary-messenger-themes Hinweis: Beim Anklicken externer Links kann es sein, dass Ihre IP-Adresse in Drittstaaten außerhalb der EU übertragen wird. Klicken Sie die Links nur an, wenn Sie mit so einer Übertragung einverstanden sind. / Zurück zum Artikel
Titelbild: Gerd Altmann / pixabay; bearbeitet
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